Die Stadträtin der LINKEN (Offene Liste) hatte vor mehr als zehn Tagen in einem Brief an den Oberbürgermeister bereits auf die erfolgreiche Strategie von Südkorea gegenüber der Verbreitung des Covid 19 Virus hingewiesen und angeregt, sich diese Expertise über das Robert-Koch-Institut einzuholen und für Lörrach zu nutzen. Zwei Wochen später nun kommen die Experten des Innenministeriums unter Hinweis auf Südkorea zu der Empfehlung, die Verbreitung des Virus anders zu bekämpfen als bisher, nämlich so wie in Südkorea.
Worum es geht !
Es sind zwei
grundsätzliche Gefahren, die unbedingt vermieden werden müssen:
Einmal muß eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindert
werden, weil ansonsten die Sterberate bei Infizierten dramatisch
ansteigt, das Gesundheitssystem kollabiert und auch die
intensivmedizinische Betreuung aller Patienten*innen nicht mehr
gewährleistet werden kann. Zum andern muß die freie pandemische
Verbreitung des Virus dringend verhindert werden, weil diese die
Wahrscheinlichkeit von Mutationen und damit von weiteren Pandemien
extrem erhöht.
Die bisherige
Strategie der Bundesregierung
Mit den schrittweise verschärften Maßnahmen zu einer flächendeckenden Verminderung von physischen Kontakten (der Begriff des ‚social distancing‘ ist falsch), soll die Übertragungsrate so vermindert werden, dass eine exponentielle Zunahme von Infizierten verhindert wird. Getestet werden in dieser Strategie nur die, die Symptome zeigen. Nun hat Tomas Puego Anfang März einen Artikel unter dem Titel „Der Hammer und der Tanz“ publiziert (https://medium.com/tomas-pueyo/coronavirus-der-hammer-und-der-tanz-abf9015cb2af), in dem er diese Strategie als problematisch beschreibt. Sie kann, wenn es gut geht, einen Zusammenbruch des Gesundheitssystems verhindern und so die Zahl der tödlich verlaufenden Infektionen begrenzen (was schon viel ist), aber nicht die pandemische Verbreitung des Virus mit einer doch erheblichen Zahl von tödlichen Verläufen. Drei Wochen später (in einer Pandemie eine Ewigkeit) beziehen sich die Experten des Innenministeriums auf diese von Pueyo als ‚Hammer‘ und ‚Tanz‘ bezeichnete Strategie.
Die geforderte neue
Strategie
Pueyo fordert
flächendeckende Tests der Bevölkerung, um die Infizierten sofort
isolieren und deren Umfeld in eine vorsorgliche Quarantäne schicken
zu können. Das bezeichnet Pueyo als der ‚Hammer‘. Mit dieser
Maßnahme wurde in Südkorea die Verbreitung des Virus rasch unter
Kontrolle gebracht. Hat man mit diesen Maßnahmen die
Verbreitungsrate deutlich unter 1 % gesenkt, dann beginnt der ‚Tanz‘.
Die Massenhafte Testung wird weitergeführt, die Bewegungsfreiheit
der Bevölkerung kann nach Maßgabe der Testergebnisse, aber
gelockert werden. Die wirtschaftlichen Folgen dieser Strategie sind
deutlich milder als die der physischen Isolierung.
Die neoliberale
Sackgasse mit autoritärem Ausgang
Allerdings setzt diese
Strategie eine Ausstattung des Gesundheitssystems mit Tests, mit
Schutzkleidung des medizinischen Personals und entsprechenden
Notfallinfrastrukturen voraus, die in einem neoliberal gesteuerten
Gesundheitssystem nicht (mehr) existieren. Wir werden uns gegenwärtig
schmerzlich bewußt, dass systemrelevante Ausstattungen des
Gesundheitswesens nur noch bei indischen oder chinesischen
Billiganbietern vorhanden sind, die Preise in diesem kapitalisierten
System explodieren und unsere Sicherheit dadurch gefährdet ist.
Dass Patientendaten nun
einfach an die Polizei weitergegeben werden und das Grundrecht auf
informationelle Selbstbestimmung augenblicklich faktisch außer Kraft
gesetzt wird, mag man mit dem Schutz der Polizeibeamten begründen.
Die Frage muss aber lauten, wieso unsere Sicherheitsbehörden nicht
mit einem Virenschutz ausgestattet sind, der ihnen ihre
ordnungspolitischen Aufgaben unter Einhaltung der grundgesetzlichen
Rechte der Bürger erlaubt.
Vielleicht wendet der
sicherheitspolitische Sprecher der CDU/CSU, Armin Schuster, seinen
migrationspolitischen ideologischen Focus zukünftig auf wirklich
systemrelevante sicherheitspolitische Herausforderungen.
Bürgerpflicht und
Bürgersinn
Wir werden sehen, ob sich die offizielle Strategie der Bundesregierung ändern wird, ob die Handlungsoptionen überhaupt (noch) bestehen. Wichtig für unser aller Gesundheit ist es, dass wir die physische Distanzierung und die konsequenten Hygienemaßnahmen weiter praktizieren. Das ist unsere Pflicht als Bürger*innen dieses Landes. Aber Bürgersinn geht darüber hinaus. Er führt zu den gegenwärtig vielfältigen Formen von Solidarität und gegenseitiger Hilfe. Er führt auch zu einer nachdenklichen, auf Fakten beruhenden, von wissenschaftlichen Ergebnissen gestützten Beurteilung unserer staatlichen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Realität. Wir sollten die gegenwärtige Entschleunigung auch dafür nutzen.
DIE LINKE. Ortsverband Lörrach